Nehmen wir einmal an:
Eine junge Frau, nennen wir sie Barbie, trifft sich mit einem jungen Mann, nennen wir ihn Ken. Die beiden gehen ins Kino, ein Eis essen, was auch immer..
Er bezahlt für sie, natürlich. Es läuft gut. Ein schönes erstes Date. Er bringt sie vielleicht sogar noch nach Hause.
Eine Woche lang wartet sie auf eine Meldung von ihm. Möglicherweise schreibt die moderne Barbie ihm auch nach ein oder zwei Tagen eine sms, eine Nachricht in wkw oder ähnlichen Anwendungen. Natürlich allerhöchstens zweimal insgesamt. Barbie will ja nicht als klammernd oder nervig gelten. Und natürlich trifft sich Barbie in dieser Woche auch nicht mit anderen jungen Männern. Damit würde sie sich schließlich nur in eine Zwickmühle bringen. Denn wenn es mit dem anderen jungen Mann, nennen wir ihn Ernie, gut laufen würde und sich dann Ken melden würde, was soll sie dann machen? Oder Ken meldet sich kurz vor dem Date mit Ernie. Also wartet Barbie eine Woche.
Am Ende der Woche hat sich Ken noch nicht gemeldet. Es sei mal in den Raum gestellt, ob er sich danach noch meldet oder nicht. Während dieser Woche fragt sich Barbie, was sie falsch gemacht haben könnte, geht im Geiste noch einmal das Outfit vom Date durch, nervt ihre besten Freundinnen mit Theorien, weshalb er sich nicht meldet. Handy und Telefon kaputt, Krankenhausaufenthalt, Tod.
Nach dieser einen Woche hat Barbie ihren Gefühlstiefpunkt gerade überstanden. Sie ist möglicherweise sauer auf Ken. Möglicherweise hat sie sich auch selbst kleingeredet. Möglicherweise, im besten Fall für Barbie, hat sie den Vorfall einfach verdrängt. Wobei einfach bestimmt nicht zutrifft, denn mit jedem Mal, wenn sie sich mit jemandem trifft und der sich nicht meldet, wird sie schneller und schneller denken, dass er sich gar nicht mehr melden wird. Vielleicht wird sie auch mit jedem Mal mehr Nachrichten schicken. Auf die dann natürlich mit noch viel weniger Wahrscheinlichkeit eine Antwort kommt. Da muss das Date schon hammer gewesen sein, dass man das Risiko einer totalen Klette eingeht..
Barbie büßt hier also einen Teil ihres Selbstbewusstseins ein. Tut ja jeder irgendwie mit jedem Korb. Aber weder Korb noch irgendeine Rückmeldung zu bekommen, tut weh. Tut mehr weh als ein „einfacher“ Korb. Vielleicht nicht sofort. Vielleicht nicht auf einmal. Aber es tut weh. Weher sozusagen. Das ist mein Anklagepunkt 1, wenn man so will.
Anklagepunkt 2 folgt auch zugleich: Eine Woche. Habt ihr – liebe Leserinnen, aber vor allem liebe Leser – euch mal die zwei Wörter auf der Zunge zergehen lassen? Eine Woche. Machen wir mal drei draus. Eine ganze Woche. Und vier. Eine ganze saublöde Woche. Eine echt saublöde ganze Woche für Barbie. Vielleicht sogar länger. Denn möglicherweise, nicht mal so unwahrscheinlich, wird dieser Vorfall ja noch länger unterbewusst auf ihr lasten und ihre Angst vor dem „nach dem Date“ noch größer werden lassen.
Erstens ist Barbie in dieser gesamten Woche in einer saublöden Situation, um mal das verwendete Wort wieder aufzugreifen. Zweitens verschwendet Ken Barbies Zeit. Wir nehmen jetzt einfach mal frecherweise an, dass man diese wertvoll nennen kann. Ken stiehlt Barbie ihre wertvolle Zeit. Zeit, in der sie sich vielleicht nicht richtig konzentrieren kann auf wichtige Dinge, wie Schule, Studium, Arbeit oder Freizeitgestaltung. Zeit, in der sie ganz sicher nicht ihren Traumprinz treffen kann, weil Ken sie noch zu sehr beschäftigt. Zeit, in der sie nicht einmal Ernie treffen kann, der vielleicht eher nicht ihr Traumprinz ist, weil dann die „was wäre aber, wenn..“-Fragen auftauchen würden.
Ich wage zu behaupten, Ken schadet damit Barbie. Und ich wage sogar zu behaupten, Ken schadet Barbie mit dem „Nicht-Melden“ sehr viel mehr als mit einem auch schmerzhaften, aber kurzen, klaren Korb.
Und darüber hinaus schadet Ken damit auch Ernie oder einem anderen jungen Mann. Denn dieser kann sich nicht mit Barbie treffen, solange die Kengeschichte nicht einigermaßen abgeschlossen ist.
Und wenn jetzt Ken mit einem klitzekleinen Hauch von Arroganz meint, er täte Ernie damit nur einen Gefallen, denn Barbie wäre gar nicht so hammer, weshalb er sich ja auch nicht mehr bei ihr gemeldet hat, dann vergisst Ken vielleicht eine Sache: Jeder ist anders. Jeder steht auf verschiedene Dinge. Jeder findet andere Sachen schön. Kurz: Jeder hat seinen eigenen Geschmack. Und wenn Ken meint, Ernie sagen zu müssen, wie sein Geschmack ist, dann würde ich, wenn ich Ernie wäre, Ken mal was ganz anderes sagen..
Und Ken kann sich noch so nett finden, weil er nicht so „böse“ war und Barbie einen Korb gegeben hat. Für Barbie bleibt nur zu hoffen, dass sie erkennt, dass der nette Ken in Wirklichkeit nur eine unangenehme Körperöffnung der oberen Beinverlängerung ist. Und für Ernie, dass sie zusätzlich erkennt, dass nicht jeder so ist.
Aber um mich unmissverständlich auszudrücken, Barbie und Ernie sind hier die Leidtragenden und obwohl ich das oben genannte für sie hoffe, heißt das nicht, dass es ihr Part wäre, etwas daran zu ändern. Der, der etwas zu ändern hat, ist Ken. Egal, wie er es anstellt, er wird für kurze Zeit für Barbie eine bildungsferne Person sein. Aber es ist einfach egoistisch, sich nicht zu melden. – Mal abgesehen davon, dass das vielleicht für Kens Ruf nicht sonderlich förderlich ist.
Also hier ein Aufruf an alle Kens:
Wenn ihr euch nicht mehr mit Barbie treffen wollt und das bei dem Date nicht EINDEUTIG rauskam, bitte, BITTE sagt ihr einfach einen Tag später Bescheid. Muss nicht mal persönlich sein. Wäre natürlich ideal, aber eine sms oder ähnliches fände ich für mich auch in Ordnung.
Einen Tag nach dem Date, weil, vorausgesetzt das Date war schön – aufpassen: das Date war an sich schön, nicht zwingend die getroffene Person; wobei hier „schön“ attraktiv heißen soll: für euch persönlich anziehend, physisch oder charakterlich – also weil man Barbie wie ich finde einen Tag geben sollte, an dem sie das gelungene Date genießen kann. Wenn Barbie nun eine Stunde nach dem Treffen, das in ihren Augen gut gelaufen ist, den Korb bekommt, wird sie vor den Kopf gestoßen sein. Barbie wird noch völlig im „tolles Date“-„Feeling“ sein und der Korb wird das an sich schöne Date in ihrer Erinnerung als schlechtes Date dastehen lassen. Wohingegen sich die Erinnerung an das schöne Date über Nacht gefestigt hat und dann beim Korb am nächsten Tag nur noch die Person als schlecht dastehen lässt. Und letzteres ist nicht mal sicher.
Tatsache ist aber, dass das Ganze auch nicht auf jede Barbie zutrifft. Es stellt sich die Frage, ob Barbie ein Ende mit Schrecken oder einen Schrecken ohne Ende will.
Die Autor-Barbie will ersteres. Und das wird sie dem nächsten Ken, der sich nicht meldet, auch sagen.
Was wollt ihr?
Liebe Grüße
Barbie.